Nicht *meine* Angst

Guten Morgen, ihr Lieben 🙂

Wir kommen vom Spazierengehen.
Draußen scheint die Sonne und es ist wunderschön.

Die ganzen letzten Tage denke ich darüber nach,
ob eigentlich vor unserem Balkon schon IMMER so ein Kindergarten war?
Ob ich es bislang nur nie so bewußt mitgekriegt hatte?
Ob die Vögel dieses Jahr aber auch vielleicht alle gleichzeitig Kinder haben?
Ob sie gewartet hatten, dass es wärmer wird?
Oder ob ich einfach nur bewußter bin?

Noch nie sah ich derart viele Tierkinder auf einem Haufen.
Hörte so viele Vogelkinder betteln.
Sah derart viele verschiedene Flauschbällchen und sogar ein Eichhörnchen-Kind.

Es erfüllt mich mit Freude.
Eichelhäher, Amseln, Meisen, kleine Schnepfen, Buntspechtkinder und sogar Kleiberkinder.
Und eben das Eichhörnchenkind, das gestern hier ganz alleine unsere Wiese erkundete.

Beim Laufen fingen wir an zu reden.
Von seiner Therapie und dass es ihn überfordert, dass seine Thera ihm ständig Aufgaben gibt, wo er Fragen beantworten/reflektieren soll.
Dieses Mal die Frage, wo auch heute noch die Gewalt durch Frauen Spuren hat; sich auswirkt und zeigt.
Er fühlt sich als Frauen-Opfer und derart erfüllt von seiner Angst, dass ihm ein erwachsenes, eigenständiges Leben unmöglich scheint.

Er hat Angst vor ALLEM.
Und er sagte ganz konkret, dass auch ich immer wieder an ihm zum Täter werde.

Wir redeten davon, wie sehr all sein NICHT-entscheiden
Nicht-sagen
Nicht-Meinung-äußern
Nicht-tun
Nicht- ….
mich zwingt,
all diese Lücken dann auszufüllen.

Wie oft ich über ihn hinweg entscheide
ihm Dinge abnehme und übernehme
Dinge machen muß
WEIL ER ES NICHT TUT.

Wie oft ich mich in Wahrheit eigentlich von IHM zum Opfer gemacht fühle,
nur weil ER NICHTS TUT.

Wir redeten über die Unzufriedenheit, die eigentlich in uns BEIDEN lebt,
weil der andere Dinge tut oder nicht tut
und man selbst somit Gefühle fühlt, die man nicht fühlen WILL.

Am Ende alles „nur“ wegen seiner Angst.

Er hat Angst vor allem.
Es ist derart verworren und scheint keinen Ausweg zu kennen.
Er hat Angst, Dinge zu lernen – weil sie ihm unbekannt sind.
Angst, zu versagen.
Angst, vor Verantwortung.
Aber auch Angst, dass er machtlos ist und über den Haufen gelabert wird.
Angst, dass er sein Leben nicht leben darf, wie er will – aber auch Angst, es zu TUN.

Er wirft mir vor, dass wir Urlaub machen, dort, wo ICH will.
Aber er äußert sich nicht, was ER will.
Er will auch nicht selbst an den PC und irgendwas (aus-)suchen.
Er will auch nichts Falsches machen.
Er will eigentlich immer nur lieb und brav sein und mir gefallen.
Aber das will er zeitgleich auch NICHT.
Weil er ja eigentlich sich SELBST leben will.
Auch.

Oft fühle ich mich von ihm zum Täter GEMACHT.
Dadurch, dass er NICHTS tut.
Er will sein Opfersein nicht haben – aber verhält sich so, dass ich ein Täter sein muß.
Jemand, der TUT.

Es ist derart verworren irgendwie.
Weil er einerseits so vieles nicht will
andererseits aber auch nix anderes tut.

Und das einzige, das er immer sagen will ist,
dass er Angst hat.

Irgendwann unterwegs liefen mir die Tränen.
Weil er anfing davon, wie sehr ich ihm Druck mache, nach Norddeutschland zu ziehen.
Und dass er das aber nicht kann.
Weil er Angst hat wegen dem Job, der Rente und allem.
Und dass er es kaum aushält.
Weil er denkt, er versaut mir meinem Lebenstraum.
Und ohne ihn wär ich besser dran.
Und außerdem sei er doch zufrieden hier.
Und außerdem….

Aber weiß er denn, was in 3 oder 4 Jahren noch alles passiert?
Weiß er denn, ob er bis dahin vielleicht weniger Angst hat?
Ob bis dahin nicht vielleicht auch noch der Rest der wenigen Kollegen dort nicht auch weg ist?
Und was nach kommt?
Und so unsagbar viel anderes?

Wir sind völlig aus der Übung.
Wir hatten ohnehin noch kaum welche.
Wir hatten doch erst kurz vor Corona überhaupt angefangen mit dem Urlauben.
2 Jahre SIND kurz, oder? Beim urlaub-Üben.

Er fing doch eben erst an, sich ein bißchen zu gewöhnen.
Auch mal weg zu sein von Zuhause.
Mal was Neues zu sehen und zu lernen.

Klar, dass er Angst hat.
Aber wenn er immer nur vermeidet und vermeidet, wird die Angst immer größer werden.
Und wenn er sie mir laufend ans Ohr redet, wird auch MEINE immer größer.
Das kann doch nicht das Ziel sein.

Er labert so oft nur.
Und TUT aber nix; ändert oder lernt nix.
Immer sollen wir verstehen, begreifen und akzeptieren.
Zeitgleich hat er aber auch Angst, wir könnten gehen.
Irgendwann.

Unsere Beziehung ist gut – immer nur so lange, wie wir nicht über wunde Punkte reden.
So lange, wie es nicht um Angst oder Sex geht.
Wobei selbst DAS im Prinzip das Selbe ist.
Es ist IMMER Angst.

Angst nimmt ihm das Leben.
In ALLEM.

Im Beruf, Hobbys, Alltag, Haushalt, Papierkram, Urlaub, Freunde, ÜBERALL.

Und er arrangiert sein Atmen irgendwie um die Angst herum und behauptet, das würde ihm REICHEN.
Es wäre doch alles ganz ok.

Wobei ja noch nichtmal das Atmen gut ist.
Im Schlaf grunzt, ächzt, quietscht, pfeift und röchelt er.
Und tagsüber stottert er oft – immer bei Stress oder großen Gefühlen; Druck.
Es gibt Zeiten, da tut er das alles GARNICHT.
Und andere Zeiten, da ist es massiv.

Es ist ein Seelenthema; nicht organisch bedingt.
Aber das mag er nicht hören.
Dann hat er wieder Angst.

Hm… eben denkt innen wer drüber nach, ob es nicht besser wäre für den Mann, er wäre schwul?
Wenn er einen Mann als „Vorbild“ hätte, der bestenfalls frei von Gewalt u. Mißbrauch wäre?
Ein Mann, der ihm Mut schenken könnte, ein Mann zu sein?
Ich weiß nicht, ob mißbrauchte Männer oft schwul sind?
Oft vielleicht, um Frauen in ihrem Leben zu umgehen?

Phüüüüü…… wie komm ich denn jetzt auf sowas?
Keine Ahnung, aber wenn ich ihn schon alleine deswegen trigger, weil ich ne Frau bin?
Wenn er mich schon deswegen als Täter sieht?
Und er sich ewig als Opfer fühlt?
Und sein sich-als-Opfer-fühlen immer dazu führt, dass ich alleine schon deshalb in die Täterrolle gezwungen werd?
ICH WILL KEIN TÄTER SEIN!!!!

Aber das kann doch auch nicht endlos so gehen?
Dass er aus lauter Angst einfach NICHTS tut?

Und auch ichwir, weil wir ständig SEINE Angst fühlen
SELBST ewig Angst haben?

Verdammt, wir sind doch früher auch alleine raus!!!
Wir waren früher ständig draußen.
Spazieren, Flohmärkte, bummeln, irgendwas.

Aber gut – hier gibt es auch nichts.
Nicht mal nen richtigen Stadtkern; ein Ortskern.
Läden, Café oder sowas.
Nur dreckige Straßen und hier mal ein Laden und 3 Straßen weiter mal einen.
Und nix, das man gern gucken würd.
Man müßte echt immer erstmal woanders hin fahren.

Hey, ich hab derart die Fresse voll von ANGST.
Von SEINER Angst.
Vom ewigen Nichtstun.
Nur rumhocken, TV glotzen und Zeit verdaddeln.
Leben verplempern.
Für nichts.

Es ist so unsagbar groß.
So erschreckend, schlimm und lähmend.
Auch der Fakt, dass man als FRAU mit ihm fast ALLES tunn kann.
Er wehrt sich nicht.
Lang.
ZU lang.

Es bedeutet Verantwortung.
Für mich.
Weil ich ständig und andauernd aufpasse; aufpassen MUSS,
dass ich bei ihm nicht zu weit gehe.
Nicht über ihn hinweg.
Ihn nicht kaputt mache und zerstöre.

Ich will ihm MUT schenken
ZUVERSICHT.
Ich mag ihm ewig Dinge erklären; verstehbar machen.
Ich will, dass es ihm GUT geht.
Ich will ihn ermutigen, unterstützen; ihm den Weg weisen.
SEINEN Weg – nicht meinen.

Aber das ist nicht leicht.
BEIDE Wege zu betrachten.
Wenn er nichts sagt.

Klar, dass da Fehler passieren; Irrtümer.
Wie oft sagt er ja, wenn er eigentlich nein meint?
Wie oft tut er so, als sei was ok für ihn – dabei will er nur wieder gefallen?
Und klar!!!!
DAS IST SEINE VERANTWORTUNG, nicht meine.
Aber wenn er doch ewig mit seiner Angst rum macht?

Vorhin, beim Laufen, war da wieder diese Resignation in mir.
Dieses Gefühl, dass all das Helfen, Warten und Hoffen keinen Sinn macht.
Das Gefühl, dass es sinnlos sei.
Und doch sowieso garnicht meine Aufgabe.
Und wenn von IHM nichts kommt? – was soll dann ICH?
Aber das stimmt so ja auch nicht.

Es ändert sich doch was.
Schon so viel.
In unseren nun fast 12 Jahren.

Es kann ja nicht alles falsch sein.
Wenn es doch besser wird.

Es ist so verdammt schwer und hart,
all diese Mechanismen und Wechseldinger zu erkennen.
Mal bin ich Täter – reingezwungen durch sein Nichtstunn oder auch, weil ich getriggert bin.

Manchmal bin ich auch Opfer, weil er irgendwie passive Gewalt übt.
Und es ist schwer, sie immer zu entlarven; zu erkennen; als das zu begreifen, was sie IST.

.Ich mag ihn nicht aufgeben.
UNS.

Es darf nicht sein, dass wir schwächeln.
Resignieren und aufgeben.
Unseren Tätern ihren Erfolg lassen; ihren Sieg.

Wir wollen es ÄNDERN.
Besser machen und schöner.
Anders.
Raus aus diesen Mechanismen.

Da fällt mir ein, ich könnte ihn ja mal fragen.
Ob ihm das helfen könnte?
Dieser Gedanke, sie nicht gewinnen zu lassen?
Sie nicht weiter sein Leben beherrschen lassen zu wollen?
Sie – seine Mutter?

Ob er irgendwo wohl Wut findet?
Sie all die Angst besiegen könnte?

Seine Mutter kann doch nicht bis an sein Lebensende sein Sein bestimmen?
Ihn begrenzen und lähmen bis zum Schluß?

Irgendwie ist es immer was anderes,
Leid bei anderen zu sehen.
Statt bei sich selbst.

Als wir vorhin dann Zuhause waren,
beschlossen wir, dass wir Anfang Juli, wenn wir beide 2x geimpft sind und auch diese „2 Wochen danach“ rum sind,
in meine Heimat fahren.
Da hin, wo die Tochter wohnt.
3 Nächte im Hotel.
Und mit Öffis in eine weitere Stadt fahren und schöne Tage haben.

Dann freut sich auch die Tochter und ihr Freund.
Wenn wir wieder zu 2. kommen.
Und geimpft können wir dann auch wieder essen gehen oder in den Biergarten.
Und uns schöne Tage zu 4. machen.

WAS FÜR EINE ERFREULICHE AUSSICHT.

Gestern hatte ich im Netz nach Urlaub im Norden gesucht.
Hotels irgendwo „da oben“.
Es ist nur so schwer.
Wenn der Mann sich nicht äußert.
Wohin?
Und dann was?
Hotel? Mittelklasse oder besser?
Ferienwohnung? oder -haus?
Wann? Wie lange?
Stadt? Land?
ICH HABE KEINE AHNUNG.

Aber er läßt mich damit allein.
Er sagt, es überfordert ihn.
Ich mach das schon.

Hat von Euch jemand vielleicht einen Tip?
WO im Norden es schön ist?
Was man sich ansehen könnte?
Momentan sind wir so eher Ostsee. Da warn wir noch nie.

Ich hab zwar schon paar Sachen gefunden, aber es ist ein Wagnis.
Irgendwann Mitte Oktober?
Nebensaison?

Wir wollen ein bißchen warten, bis „der große, erste Schwung“ schon durch ist.

Und dann hoffe ich, dass der Mann wieder ein bißchen entspannen kann.
Ein bißchen Angst verlieren.
Vor all dem Neuen.
Er ist so irre angsterfüllt vor Fremdem; Unbekanntem.
Das ist so traurig.

Aber ich weiß vom letzten Urlaub, dass sich das dann gibt.
Man muß nur erstmal DORT sein.

Euch alles Liebe ❤
Und Kraft.


Gebloggt am 26.05.2020

Ich hasse Veränderungen

Ist das nicht einfach das Leben?

27.05.2020

Aber heute ist sie nicht mehr so

28.05.2020

Ruhe bewahren

29.05.2020

Es ist irgendwie so – zu? – viel

Blogger-Award

Bist Du Frau oder Mutter?

Blogger-Award 2

30.05.2020

Ich bin total nervös

Es sein lassen, wie es ist

9 Kommentare zu „Nicht *meine* Angst

  1. Ich denke grade, dass dieses „vielleicht nehme ich lieber einen Mann“ vom Mann auch Vermeidung sein kann. Immer hübsch den Triggern davon laufen.
    Ihr und wir sind ja auch von Männern geschädigt und haben einen zu Hause.
    Es ist nicht leicht nein, aber weglaufen ist ja auch keine Lösung.

    Ostsee? Ich würde definitiv Grömitz empfehlen. Die haben auch ne live cam auf der Promenade. Kannst ja mal rein schauen.
    Toller Ort, toller Strand.

    Liebe Grüße und viel Kraft. ❤

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    1. Hm? Das mit dem schwul kam von UNS – nich vom Mann.
      Nein, das ist nicht seins – dann wär er lieber allein.
      Aber WIR ham überlegt, ob des nich vielleicht besser für ihn wär.

      Ist ein Kackgefühl, ein Trigger zu sein un mit Tätern irgendwie verwurschtelt zu sein….
      Aber ich glaub, des is mehr in UNS, als in ihm.

      Liebe Grüße zurück ❤

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  2. Wir ham vor 4 Wochen was auf Fehmarn gebucht.
    N Ferienhaus, keine Ahnung, wie das dann wird. Wir fahren aber erst im November dahin.
    aber wir sin gespannt. Weil mit zwei Hundes is ja au immer bissl schwieriger was zu finden. Un Hotel wollten wir da nich.

    Ansonsten ham wir euch gelesen. So viel doofzeug bei euch. ❤

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  3. Hey sagt mal…
    War da nich auch ma was mit Wut bei dem Mann?
    Also dasser Schiss hat, dasser zu wütend wird und nich mehr aufhörn kann?
    Vermutlich is Angst ein erlaubteres Gefühl…
    Is hier auch so.
    Innendrin tobts rum und Draußen – nix.
    Oder wenn, dann nur passiv-aggressiv, was auch doof is.
    Puh, so so schwer das Ganze…
    Ich weiß nich, vlt hat er ja auch das Gefühl, dass überall nur ne Sackgasse is.
    Das is ein echt blödes Gefühl und man kommt da nur sehr schwer raus.
    Vor allem, wenn man selber machen nich sooo gewohnt is 😉
    Auch das kennen wir hier zur Genüge, wenn auch nich so stark wie bei dem Mann von euch.
    Ich fürchte nur, dass ‚anschieben‘ nich so erfolgversprechend is.
    Ach ich weiß auch nich…
    Ich hoff, dass ich jetz nich zu viel rausgehaun hab…

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    1. Ja, er hat Angst vor seiner Wut.
      Ich hab ihn das vorhin gefragt.
      Ob ihm vielleicht seine Wut helfen könnte, seine Angst zu reduzieren.
      Und dass er sich hinterfragen könnte, ob er wirklich sein Leben lang unter den Taten leiden und sich immerzu unterordnen will.

      Es geht ihm nicht besonders gut. Es arbeitet sehr viel in ihm.
      Aber ja, ich kenn das auch von mir, dass man dann ganz besonders verletzlich und geschwächt ist. Er braucht Zeit, sagt er.
      Keine leichte Zeit.

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